Äthiopien- Einblicke in die Wiege des Christentums 1/2

Äthiopien, das wirtschaftspolitische Zentrum im Osten Afrikas, blickt mit Stolz auf eine jahrtausendjährige Kultur zurück. Es gilt als das Ursprungsland des Kaffees und als Wiege der Menschheit, wie Funde der ca. 3,2 Millionen Jahre alten humanioden Frau “Lucy” (Australopithecus afarensis) belegen. Hier sitzt die Afrikanische Union, der chinesische Staat investiert in das Land und die Region und immer mehr Menschen strömen in die wachsende Hauptstadt, Addis Ababa. Zuletzt wurde das Land demokratisiert, als 2018 erstmals freie allgemeine Wahlen stattfanden und Reformen angestoßen wurden. Zudem konnte sich Äthiopien in seiner Geschichte von Kolonalisierungsversuchen frei machen, was zum Erhalt der eigenen Kultur beitrug.
Umringt von muslimischen Ländern blickt das christliche Äthiopien auf eine wechselvolle Geschichte aus abgewehrten Eroberungsversuchen, Kriegen, Verehrung von Haile Selassi als Messias der Restafari und sogar einer deutschen First Lady sowie multikulturellen Zusammenschlüssen zurück. So leben in dem Land viele verschiedene Ethnien, die größten Gruppen sind die Amhara, Oromo, Tigri, Somali und Afar.

Trotz der langlebigen Kultur wurde das Land und seine Gesellschaften immer wieder von Hungersnöten und Dürren betroffen, wie zuletzt im Jahr 2019. Es zählt nicht nur deshalb zu den ärmsten Regionen der Welt und befindet sich auf den hinteren Plätzen im Index der menschlichen Entwicklung. Die ungewöhnlichen Wetterbedingungen führen aktuell zum Auftreten einer der berühmten biblischen Plagen- einer nie dagewesenen Heuschreckeninvasion. Regefälle gepaart mit einer langen Trockenheit führen hierbei zu günstigen Entwicklungsbedingungen für das Ungeziefer.

Im Frühjahr letzten Jahres hatte ich die Freude, das Land durch Freunde näher kennenzulernen. Da ein Freund von mir aus Äthiopien stammt und dieser heiratete, lud er uns zu seiner Hochzeit ein. Welch eine Überraschung war es für uns, als sich herausstellte, dass diese nicht in Berlin sonder Gondar stattfinden sollte!
Wir reisten zunächst nach Addis an und blieben dort zwei Tage, bevor wir nach Bahir Dar weiterfuhren. Leider hatte ich Probleme mit meiner neuen Kamera, sodass ich nun keine Bilder vom Tal des blauen Nils und den windigen Straßen, die dorthin führen, habe. Denn wir bestritten die kompletten 900 km mit dem Bus. Was für eine Tour! Schon allein den richtigen Bus zu finden, wäre ohne einen amharischsprechenden Freund nicht möglich gewesen. Bahir Dar an sich haben wir nur kurz gesehen und am nächsten Tag ging es gleich weiter nach Debark, unserem Ausgangspunkt für die Tour im Nationalpark. Dort blieben wir für sechs Tage, bis es zurück ging, nach Debark und schließlich Gondar für die Hochzeitsfeiern.

Tuk-Tuks sind auch hier ein weit verbreitetes Fortbewegungsmittel… …aber auch Pferde.. ..und Pritschenwagen.
Das äthiopisch-orthodoxe Ostern und meine schlaflosen Nächte
Wer komfortables Reisen gewohnt ist, muss sich bei einem Urlaub in Äthiopien besonders umstellen. Das Hotel im afrikanischen Stil, in dem wir am Ende unseres Aufenthaltes noch übernachteten, hatte keine isolierten Fenster, im Bad hingen Kabel aus der Wand, die Tür schloss nicht richtig, man hörte alles im Bad, plötzlich gab es einen halben Tag kein Wasser mehr (Tank leer) und zum Frühstück gab es Rührei mit Kaffe und Brot und einem Auftstrich. Dabei war das Hotel neu eröffnet! Als wir uns zum Essen in einem Restaurant trafen, berichtete man uns, dass sie uns leider keine Butter geben könnten, da es diese schon seit einem Jahr nicht mehr gäbe. Mir wird immer wieder klar, in was für einem Luxus wir hier in Deutschland leben. Trotz der wenigen Dinge, die die Menschen in dem Land besitzen, begegneten sie mir als warmherzig und gastfreundlich. Nur das orthodoxe Osterfest, das eine Woche zu unserem verschoben ist, hat mir wegen der nicht enden wollende Messe in der Kirche auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die auch noch per Lautsprecher übertragen wurde, die Nacht vor der Hochzeitsfeier zum Tag gemacht. Dabei ist es Tradition am Ende der Fastenzeit, also zu Ostern, zu heiraten und so konnten wir allein in Gondar zahlreiche Hochzeiten mit Autokorso bestaunen. Und die Äthiopien bestaunten uns, hatten wir doch extra traditionelle Kleidung gekauft und zur Hochzeit angezogen.

Wundervolle Berglandschaften auf unserer Wandertour

Unseren Besuch verbanden wir mit einer mehrtägigen Wandertour durch das Sämen-Gebirge. Der Nationalpark ist seit 1978 UNESCO-Weltnaturerbe, war aber in den vergangenen Jahren auf der roten Liste (mehr dazu unten). Wer sich zu einem Besuch entschließt, sollte gut trainiert sein, denn es gibt keine Wanderwege und es geht auf über 4.000 m hohe Berge. Hier befindet sich auch der mit 4.533 m höchste Berg Äthiopiens, der Ras Daschän. Dieser ist gleichzeitig der siebthöchste Berg in Afrika. Da kann dann schonmal die Höhenkrankheit zuschlagen. Also viel Trinken (mind. 1l pro 1.000m) und nichts überstürzen! Die ersten drei Tage hatte ich außer komplizierter Wegstrecken weniger Probleme, doch mein erster 4.000er machte mir dann doch zu schaffen. Oben am Gipfel angekommen, machte ich den Fehler mich hinzusetzen-mein Blutdruck sank und der Kreislauf sackte ab. Diese Aktion wurde dann mit stundenlangen Kopfschmerzen bestraft.
Frank beim Blick in den Abgrund Ein Bussard beim Erspähen von Beute Ein Erzrabe beim Frühstück. Imposant fand ich die Größe. Ein junger Lämmergeier zieht seine Runden. Das Tier mit 2,9m Spannweite kommt auch wieder in den Alpen vor.
Für unsere Wandertour stellte unser Bräutigam einen Kontakt zu einem Tourguide her, der auch schon andere Freunde von uns durch das Gebiet führte. Aufgrund wilder Tiere (nachts streiften Hyänen um unsere Zelte!) und herumstreifender Banden ist es nicht erlaubt, den Nationalpark ohne bewaffneten Guide zu betreten. Es war ganz schön unheimlich, jede Nacht einen Mann mit Kalaschnikov im Arm vor unserem Zelt liegen zu haben. Wir hatten zusätzlich noch eine komplette “Entourage” aus zwei Köchen, einem weiteren Wächter, einem Tourguide und einem Packer im Schlepptau. Das war eigentlich etwas zuviel Troubel für mich, aber für unsere Touristengruppe aus Deutschland und einen mehrtätigen Aufenthalt war es absolut notenwendig. Denn im Nationalpark leben zwar ca. 3.000 Menschen, aber es gibt keine Shops, Restaurants oder Unterkünfte. Das Essen wurde also im Auto mitgebracht und wir schliefen in unseren Zelten. Dafür gab es auch auf über 3.000 m Höhe besten Handyempfang (ja, liebe Bundesregierung, das geht!) Die versprochenen Mulis wurden dann aber leider durch ein Auto ersetzt. Das ist wohl effizienter.
Nachts wurde es mit 0 Grad C sehr kalt Die Kochhütte in einem anderen Camp Unser Koch in seinem Kochzelt, zum Leidwesen meines Partners gab es kein Injera, sondern extra westliche Küche Eins der Dörfer am Camp. Mit den Bewohnern haben wir praktisch nie Kontakt gehabt, außer wir begegneten ihnen hier und da an Wegpunkten, wo sie vereinzelt Souvernirs verkauften
Neben der tollen Landschaften beherbergt das Sämengebirge noch ein paar Tierarten, die dort endemisch sind und nur dort vorkommen, weshalb der Nationalpark auch ursprünglich als Weltnaturerbe eingerichtet wurde. Es handelt sich hierbei um den äthiopischen Wolf, das Walia (einen Steinbock und Namensgeber für das nationale Bier) und der Dschelada (oder auch Blutbrustpavian). Letztere sind nicht schwer zu finden, aber da der äthiopische Wolf fast ausgestorben und extrem Scheu ist, müssen Besucher schon mehr Glück haben. Und was soll ich sagen: wir hatten Glück ein scheues Exemplar aus der Ferne zu sehen! Beim Walia hatte ich dagegen weniger Erfolg, was jedoch auch daran lag, dass ich mich nicht traute, mich über die Felsenkante zu lehnen, die 1.000m nach unten führte.
Ein junger Halbstarker beim Morgenkrawall Mutet ein wenig wie im Spiegelkabinett an. Die Paviane grasen. Sie sind vegetarier. Ein Sonnenbad zum Aufwärmen am Morgen Unser Hilfskoch hat das Walia erspäht Ein Klippspringer. Wir kannten sie schon aus Südafrika. Am Abschluss unserer Tour sprang mir noch ein Schakal vor die Linse. Sie hatten uns zuvor schon in den Camps besucht
Die Vegetation ist in Abhängigkeit zur Höhe der Berge wie üblich in unterschiedliche Vegetationszonen eingeteilt. In der alpinen Zone können Besucher die Riesen-Lobelien (Lobelia deckenii) und Landschaften mit Baumerika bewundern. Diese und andere Baumarten beherbergen auch Flechten, die in langen Fäden von den Bäumen hängen.
Eine Riesen-Lobelie. Die mini-Schwester findet sich auch in Deutschland: z.B. als Männertreu. Flechten gelten aufgrund ihrer Empfindlichkeit ggü. Umwelteinflüssen als Indikatorpflanzen für Luftqualität Äthiopische Iris


Nachhaltige Tourismuskonzepte dringend gebraucht!
Trotz aller Schönheit ist das Nationalparkgebiet seit 1996 auf der roten Liste der UNESCO. Die übermäßige Weidewirtschaft führt zur Erodierung von Landflächen, wie im folgenden Bild zu sehen ist. Auch hat die Abholzung von Wäldern die Reduktion der ohnehin schon bedrohten Tierarten, wie dem äthiopischen Wolf, gefördert. Im Nationalpark leben ca. 3.000 Menschen, eine genaue Zahl ist jedoch nicht bekannt. Diese betreiben größtenteils Landwirtschaft. Die Kinder hüten die Tiere auf den Weiden.


Da Äthiopien sich in den vergangenen Jahren etwas reformierte, besteht Hoffnung auch mehr Touristen ins Land kommen und das Weltnaturerbe besuchen. Als Zentrum der afrikanischen Union und mit einer leistungsstarken, sicheren Airline, die viele Destinationen in Afrika und weltweit verbindet hat das Land eine gute Ausgangslage. Deshalb bedarf es m.E. neuen Tourismuskonzepten, um den Menschen in den Dörfern eine andere Lebensgrundlage zu bieten, als die Land- und Vieh-wirtschaft. Zwar hat sich das Land Österreich in der Region mit dem Bau von Länden und Camp-einrichtungen engagiert, meiner Meinung nach braucht es aber ein richtiges Konzept.

So habe ich mich während der Reise immer wieder gefragt, warum die Menschen nicht in den Camps Getränke, Kaffee oder Tee verkaufen. Teezeremonien sind ein wichtiger Bestandteil der äthiopischen Kultur. Warum nicht einem Dorf einen Besuch abstatten und dort an einer Teezeremonie teilnehmen? Auf unseren Wanderungen haben wir auch viele Pferde gesehen, die mich als begeistere Reiterin zu der Frage gebracht haben: wäre es nicht denkbar, Reittrekking anzubieten?

Zwar ist es mit den vielen wenigen Ideen nicht möglich, allen Menschen im Nationalpark eine Lebensgrundlage fernab der Landwirtschaft zu bieten. Dafür fehlt der große Sprung. Und das die Regierung alle für den Naturschutz bezahl, wie in Raja Ampat, Indonesien, ist hier aufgrund der Wirtschaftslage unwahrscheinlich. Jedoch braucht es Anfänge und ein Vorangehen. Dieses schöne und schützenswerte Fleckchen Erde darf nicht verschwinden. Denn schließlich handelt es sich auch um eine der Attraktionen, warum Touristen das Land besuchen (neben der Kaffeeregion Sidamo, den Felsenkirchen von Lailabela und den nur abenteuerlich erreichbaren Schwefelseen in der Danakil-Wüste).

Meine Devise an dieser Stelle lautet immer, “Hilfe zur Selbsthilfe”. In diesem Land geht es zunächst darum, dass die Menschen ein ausreichendes Einkommen haben, damit die Kinder nicht die Tiere auf den Weiden hüten müssen, sondern stattdessen zur Schule gehen.