Brauchen wir all das Zeug wirklich- Oder sind wir nur zu Bequem?

Seit meiner Kindheit habe ich meine Klassenkameraden immer mal wieder ob ihres Wohlstands beneidet. Sie bekamen für meine Verhältnisse viel Taschengeld, hatten Markenklamotten, die neusten Technik-Gadgets, gingen auf Konzerte oder Festivals und hatten sie neuste Musik. Sie fuhren in den Süden in den Urlaub – für mich war meist nur Tschechien oder Österreich drin.

Als Kind einer alleinerziehenden Frau, die nach der Wende eine neue Beschäftigung finden musste, habe ich mir oft Wünsche verkniffen. Ich wusste, meine Mutter würde mir vieles ermöglichen, wenn ich sie nur lange genug bat, aber das würde nicht ohne Abstriche oder Kontoüberziehung gehen. Also verdiente ich mir früh ein paar Euro Taschengeld dazu.

Auch im Studium reichte das Geld nur für das Nötigste, sehr zeitig probierte ich mich mit Studentenjobs aus (übrigens alles Jobs, die nicht als Berufserfahrung zählen!), drei Jahre lang arbeitete ich als eine von vier Verantwortlichen in der Stammdatenpflege bei einem großen Maschinenbauer. Insgesamt hatte ich pro Monat um die 750 Euro zur Verfügung. Davon gingen schon ca. 200 Euro für die Miete weg. Vom Rest kaufte ich mir Bücher, Kleidung, einen Großteil nahmen auch die Bahnfahrten zu meiner Familie ein, die ich damals noch recht häufig besuchte.

Rückblickend betrachtet ist das nicht wirklich viel, aber es reichte zum Leben. Sozialbeiträge waren ja noch nicht pflicht, und Studenten (wie auch Auzubis) genossen weitläufige Vergünstigungen und Rabatte. Große Sprünge konnte ich trotzdem nicht machen. So wäre ich niemals auf die Idee gekommen, ins Ausland zu fahren und an Ersamus teilzunehmen, was ich bis heute bereue. Erst zum Ende des Studiums versuchte ich an einem Praktikum bei AIESEC teilzunehmen, doch leider kam dieses wegen bürokratischer Hürden seitens des Vereins nie zustande. (Heute, mit 30, ist es nicht mehr so einfach, ein geeignetes Programm zu finden!)

Durch die Erfahrungen der Bescheidenheit und Abstinenz meiner Kindheit und des Studiums fing ich am Ende meiner Studienzeit bei einer Bank an zu arbeiten. Ich wollte nie wieder erleben müssen, wie meine Mutter sich Sorgen machte, wie sie am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen sollte. (Ja, die Kindheit prägt auch so die Entscheidung über die Berufswahl. Wäre ich nur meinen Neigungen gefolgt, wäre ich wohl MTA geworden oder hätte Meterologie studiert).

In meinem ersten Job verdiente ich, relativ gesehen zu meinem Studium, gutes Geld, was ich in dies und jenes investierte. Endlich erlebte ich die Fülle des Konsums, das Geld war da und ich konnte meine Wünsche ohne schlechtes Gewissen ausleben. Auch bei meinem zweiten, nachfolgenden Job ging das für einige Zeit so weiter: Sodamax, neue Töpfe oder Messer, eine Lederjacke, Kleider, Tanzschuhe, ein Fahrrad, eine Wii-das waren alles Dinge, die ich mir von meinem ersten Geld kaufte.

Doch gebraucht hatte ich es damals nicht. (Wobei ich immer, geprägt durch meine Kindheit, sehr überlegt einkaufte. Nur manchmal ließ ich mich verleiten). Im Laufe der Zeit merkte ich, dass mich das Zeug nicht zufriedener machte. Es beschäftigte mich nur, lenkte mich ab und fing schließlich an, mir Zeit zu stehlen.
Irgendwas funktionierte nicht, musste ausgewechelt oder umgestellt werden und ZACK! wieder eine Stunde Lebenszeit für sinnlose Wege weg. Ich hatte Stress im Job, mit den Kollegen und Freizeitstress mit meinen Freunden und den kleinen Dingen, die mich zusätzlich beschäftigten. Dabei korrelierte mein Freizeitstress mit meinem Jobfrust während der Promotion. Das war wohl das bekannte Hamsterrad.

Ich kam zu dem Schluss, dass es im Arbeitsleben nur einen Ausweg daraus gibt: finanzielle Unabhängigkeit. Nur zu gut erinnerte ich mich noch an die Kollegen aus der Bank, die in der Finanzkrise trotzdem ihre Ziele erreichen mussten und sich wöchentlich rechtfertigen mussten, warum sie es nicht schafften. Sie hatten ihren Leasingwagen und das Haus abzuzahlen und waren im Hamsterrad des Konsums gefangen. Eine Kündigung kam für sie niemals in Frage!

Als Wirtschaftswissenschaftlerin ist das eine Gradwanderung für mich: die Wirtschaft lebt zu großen Teilen vom Konsum. Und ein Konsumrückgang führt über lang oder kurz zu einem Wachstumsrückgang. Und eine Rezession hat schwierige Auswirkungen in einer vernetzten Welt, wie wir seit der Finanzkrise von 2011 wissen. Aber dennoch möchte ich die Leser animieren, genauer über den eigenen Konsum nachzudenken:

  • Fragt euch doch mal, wie im Marketing: welches Bedürfnis erfüllt der Gegenstand, den ich kaufe gerade?
  • Wie geht es mir damit? Macht mich das Glücklicher, oder lenkt es mich nur ab?
  • Brauche ich den Gegenstand wirklich, oder kompensiere ich was? (Z.B. Jobfrust)?
  • Langweile ich mich vielleicht und könnte das Geld für einen besseren Zweck einsetzen?
  • Frage dich, ob das Geld nicht besser eingesetzt werden kann, als zur kurzfristigen Bedürfniserfüllung. Etwa als Spende an eine gemeinnützige Organisation? Oder ist es sinnvoller das Geld für die Altersvorsorge zu sparen?

Nachhaltigkeit im persönlichen Kontext bedeutet auch, die eigenen Ressourcen im Blick zu halten und so einzusetzen, dass sie lange vorhanden sind. Das bedeutet einerseits, die Ressourcennutzung zu schonen, aber auch dafür zu sorgen, dass diese sich vermehren, bzw. nicht zu schnell verbraucht werden. Daher sollte jeder seine persönlichen Finanzen stets im Blick haben und einen Teil, wenn auch einen kleinen Anteil, für schlechte Zeiten beiseite legen. Schafft euch eine Rücklage, mit der ihr für eine kurze Zeit durchkommt. Diese Rücklage hilft euch, unabhängig von den Bedingungen im Job zu bleiben. Denn der Cheff kann noch so sehr unerfüllbare Erwartungen haben oder Kollegen ihre Ränkespiele spielen. Wenn du gewisse Rücklagen hast, kannst du immernoch im Ernstfall sagen “das geht mich nichts an, ich mache einen Abgang”.

Das Gute dabei ist: wenn ihr nur einmal in der Woche euren Konsum überdenkt und euch fragt, ob ihr das braucht, verändert ihr die Welt zu einem besseren Ort. Denn indem ihr euren Konsum hinterfragt, schont ihr nicht nur persönliche Ressourcen, sondern auch die der Wirtschaft. Denn auch für sie geht es um ein nachhaltiges Wachstum, also eine möglichst langanhaltende Bereitstellung von natürlichen Ressourcen.

Ich wünsche viel Geduld und eine freundschaftliche Selbstfürsorge für die kritische Überprüfung der eigenen Finanzen!