Gründercoaching: Lern- und Erfahrungswelten zwischen Beratung und ganzheitlichem Coaching
Ihr sucht einen guten Gründercoach, wisst aber nicht, woran ihr die Qualität seiner/ihrer Arbeit festmachen wollt? Der folgende Beitrag zeigt, dass ein Gründercoach während des Coachings 5 Funktionen erfüllen kann, die für den Gründenden hilfreich sein können.
In Deutschland existieren eine Vielzahl von Unterstützungsprogrammen, die Gründende dazu befähigen sollen, ihre Kompetenzen zu entwickeln und darüber ihre Unternehmensgründung auf eine solide Basis zu stellen. Dazu zählen beispielsweise universitäre Gründungsnetzwerke, öffentlich geförderte Coaching-Programme (z.b. BAFA, vormals KFW oder von den Aufbaubanken) oder Unterstützungsleistungen, die in Inkubatoren und Akzeleratoren geboten werden. Doch obwohl die Leistung „Gründercoaching“ so schön über die Lippen geht, wissen die wenigsten inhaltlich damit etwas anzufangen. Und auch die Gründer wissen häufig nicht, was sie vom Gründercoaching erwarten dürfen. In der Realität wird dann irgendwie versucht, die Fragen des Gründenden zu klären und in den wenigsten Fällen verfügen Unterstützende ein über ein ganzheitliches Konzept, das ein strukturiertes, ganzheitliches und auf die Bedürfnisse des Gründenden abgestimmtes Lernen ermöglicht. Gleichzeitig werden öffentliche Leistungen zur Verfügung gestellt, wie in den bereits ausgelaufenen Maßnahmen der KFW, die mit ca. 260 Mio Euro durch das ESF gefördert wurde, aber nur mäßigen Erfolg aufwies.[1]
Diese Beobachtung im Markt zum Anlass nehmend, habe ich mich mit dem Thema der Kompetenzentwicklung durch Gründercoaching, dessen Potentialen, Grenzen und Funktionen beschäftigt. Im Zentrum standen zunächst 30 halbstrukturierte Interviews mit Gründercoaches aus drei verschiedenen Gruppen: Gründerocaches aus öffentlichen Einrichtungen (z.B. Universitäten), Gründercoaches aus der Privatwirtschaft (z.B. Business Angels oder Menschen mit Coachingausbildung) und das öffentlich finanzierte Gründercoaching (z.B. auf der KFW Beraterdatenbank). Dem bisherigen „Work in Progress“ folgten 25 halbstrukturierte Interviews mit Gründenden aus dem Umfeld der Coaches und eine quantitative Befragung.
Erste Ergebnisse zeigen, nicht sehr überraschend, dass Gründercoaching unterschiedlich verstanden wird. Dieser Umstand ist auch der Tatsache geschuldet, dass der heterogene, meist von Kleinunternehmern besetzte Markt kaum Qualitätsstandards oder Regularien aufweist. Zudem stellen viele Förderprogramme für Gründercoaching aus der öffentlichen Hand meist eine Förderung der Beratungsbranche dar, denn es gibt nur mäßig definierte Kriterien hinsichtlich der pädagogischen und betriebswirtschaftlichen Qualität der Anbieter. So waren im Fall der KFW, vereinfacht dargestellt, zur Registrierung in der Beraterdatenbank lediglich die Nachweise erforderlich, dass ein Berater mindestens drei Jahre beratend in KMUs tätig war sowie der Nachweis über zwei Gründercoachings pro Jahr, die in der Beraterbörse bewertet wurden.[2]
Folglich wird Gründercoaching entgegen der Wortbedeutung zum einen von den eher betriebswirtschaftlich geprägten Unterstützern als Hilfestellung zu betriebswirtschaftlichen Fragen oder operationaler Unterstützung in Form von Erstellung des Finanz- oder Businessplanes verstanden. Auf der anderen Seite der Skala finden sich eigentliche Coaches, die Gründercoaching im Sinne des Wortes als Hilfe zur Entwicklung der unternehmerischen Eigenständigkeit sehen.
Ferner ergab die Auswertung, dass Gründercoaching neben der Beantwortung offener Fragestellungen im Gründungsprozess fünf, für den Gründenden wertvolle Funktionen erfüllt: Motivation, Reflektion, Netzwerkbildung, Strukturierung und Transfer.
Die Motivationsfunktion dient dem Gründenden nicht nur in Krisensituationen als Hilfe. Das Gründen eines Unternehmens ist in vielerlei Hinsicht durch zahlreiche Anforderungen an die Gründerperson geprägt, welche durch die Vielzahl an zu bewältigenden Aufgaben gerade bei Einzelgründungen ein hohes Stressniveau nach sich ziehen. Da hilft es, wenn eine externe, neutrale Person durch sein Nachfragen Interesse zeigt oder in Seitengesprächen Mitgefühl vermittelt. „Sharing is caring“.
Die Reflektionsfunktion zählt zu den zentralen Funktionen im Gründercoaching, der die größte Bedeutung beigemessen werden kann. Hier fungiert der Coach als Sparringspartner und Spiegel für die Ideen und Aktivitäten des Gründenden. Mit gezielten Nachfragen durch den Coach oder systemischen Fragen können so Wissenslücken und Probleme identifiziert werden und der Gründende lernt darüber hinaus selbstständig über den Gründungsprozess zu reflektieren. In diesem Zusammenhang gibt der Coach Feedback oder kann auch mal mehr konfrontativ den Gründenden herausfordern. Manche Coaches sprachen im Interview sogar von der Veränderung des „Mindsets“- der Veränderung der Art zu denken, indem Haltungen, Einstellungen und Herangehensweisen mittels Fragen hinterfragt werden. Beispielhaft sei hier auf die unterschiedlichen Methoden um ein Unternehmen zu gründen hingewiesen: so kann eine Veränderung des Mindsets von der „konventionellen Gründung“ (ich entwickele eine Idee und dann gründe ich, wenn sie ausgereift ist) zum „Lean Entrepreneurship“ (Gründung als Experimentierfeld mittels Trial and Error) erreicht werden.
Ferner stellt der Gründercoach einen Netzwerkknoten für den Gründenden dar. So engagieren sich manche der befragten Coaches an der Organisation von Stammtischen oder anderen Events und fördern darüber die Vernetzung ihrer Schützlinge. Darüber kann der Gründende potentielle neue Kontakte hinsichtlich möglicher Investoren oder Kunden herstellen.
Eine weitere wichtige Funktion stellt die Strukturierungsfunktion im Coaching dar. So brachte es einer der Interviewpartner auf den Punkt„Sie kommen nicht notwendigerweise mit einem konkreten Problem. Nur weniger als 30 % der Gründer, die ich treffe, haben ein konkretes Problem oder eine Frage im Rahmen ihrer Gründung“. Tatsächlich können wie bereits beschrieben im Gründungsprozess die Aufgaben so überwältigend sein, dass ein Gründender schnell die Übersicht über die notwendigen Aufgaben verlieren kann. Deshalb hat der Coach eine Strukturierungsfunktion im Gründercoaching, d.h. es wird a) der Coachingprozess an sich auf der Meta-Ebene organisiert, aber auch b) der Lernprozess des Gründenden, indem Wissens- und Kompetenzlücken systematisch identifiziert und geschlossen werden und c) Gedankenprozesse und unternehmerische Aktivitäten im Rahmen der Gründung in regelmäßigen Sitzungen gestaltet.
Die Transferfunktion zielt auf den Wissens- und Kompetenztransfer vom Coach zum Gründenden ab. In dem zuvor genannten Mappingprozess werden beim Gründenden Wissens- und Kompetenzlücken geschlossen, z.B. mittels Kurzerklärungen und -vorträgen, Seminaren, Rollenspielen oder Begleitung in konkreten Situationen. Der dadurch entstehende Wissens- und Kompetenztransfer soll den Gründenden langfristig und nachhaltig befähigen, sein Unternehmen aufzubauen und zu führen. In einem weiteren Coachingprozess können beim Wachstum des Unternehmens weitere, speziell an die Bedürfnisse des Gründenen angepasste Fragestellungen adressiert werden.
Aus diesen Funktionen ergeben sich neben dem Vorhandensein betriebswirtschaftlicher Kenntnisse und Erfahrungen im Gründungsprozess auf der inhaltlichen Ebene, zahlreiche Anforderungen an den Coach hinsichtlich des Coachingprozesses: z.B. über diagnostische Kompetenzen zu verfügen, (Selbst-)Reflektionsvermögen hinsichtlich des Coachingprozesses zu besitzen sowie ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten (Zuhören und Nachfragen).
Im Verlauf des Coachingprozesses kann es zu einer Entwicklung der Beziehung zwischen Coach und Gründenden kommen. Einige Coaches gaben hierbei im Verlauf an, dass sich enge Beziehungen, ähnlich von Freundschaften entwickeln, die auch oft weit nach Ende des Coachings weiterbestehen. Voraussetzung dafür ist, dass die Chemie zwischen beiden Parteien stimmt und die Beziehung auf gemeinsam anerkannten Werten wie Vertrauen, Zuverlässigkeit und Professionalität beruht.
Die im Rahmen dieser Studie erhobenen und vorgestellten Daten ermöglichen Aussagen über aktuelle Prozesse des Gründercoachings und die Definition von Kriterien zur Qualitätssicherung dieses vielfach öffentlich geförderten Bereichs der Unternehmensgründung. Wir können anhand der Daten und Beispiele aus den Interviews sehen, dass es schon eine Vielzahl professioneller Coaches gibt, die ihre Arbeit sehr gut machen. Gleichzeitig können Coaches die Funktionen als Leitfaden nehmen, um ihren Coachingprozess zu optimieren und zu gestalten. Die Ergebnisse unterstützen ferner die Erwartungsbildung von Gründenden, die auf der Basis eine Hilfestellung bei der Auswahl eines geeigneten Coaches erhalten.
Der Beitrag ist ein Auszug aus: Hagedorn, Anja; Klapper, Rita (2016): Supporting fledgling entrepreneurs through founder coaching in Germany. Im Erscheinen im Rahmen der Dissertation “The Impact of Social Capital for Venture Creation – Essays on its Role in Management Support and Crowdinvesting”HHL Leipzig Graduate School of Management, online sowie geplant als Journalartikel.
[1] http://legacy.iza.org/en/webcontent/publications/reports/report_pdfs/iza_report_61.pdf
[2] https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwiPxOaCv83XAhUDfxoKHbw3BQAQFgg4MAI&url=https%3A%2F%2Fberaterboerse.kfw.de%2Fdl.php%3Fid%3D12%26type%3D2&usg=AOvVaw24ej1aNJvHOLEJ559IBTy0