Innovationen durch New-Space: wie die Raumfahrt unseren Alltag verändert

In einem vergangenen Projekt habe ich mich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Aktivitäten in der Luft- und Raumfahrt gesamtwirtschaftliche Vorteile in Form von Innovationssprüngen und Kommerzialisierungsmöglichkeiten bietet. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig die Forschungsergebnisse der Grundlagenforschung in der Raumfahrt für unseren Alltag sind.

Zum Beispiel ist die satellitengestützte Infrastruktur eine wichtige Grundlage für das Alltagsleben, ohne Satelliten gibt es keine Navigation, Umwelt- und Wetterüberwachung und auch keine Kommunikationsinfrastruktur. Allerdings macht der „sichtbare“ Teil der Raumfahrt nur einen kleinen Bereich aus, denn die Raumfahrt betreibt zum großen Anteil Grundlagenforschung, die sich erst über Jahrzehnte in konkrete Ergebnisse niederschlägt. Ein neuer Zweig der Raumfahrt dagegen, der sog. „New Space“, zielt auf neue Anwendungen im Bereich der Erdbeobachtung in Verbindung mit digitalen Technologien ab. Angebote von New Space-Unternehmen werden uns in Zukunft genauere Erkenntnisse über die Funktionsweise der Welt liefern und unseren Alltag vereinfachen. Im folgenden Artikel stelle ich diesen Geschäftszweig der Raumfahrt mit seiner Bedeutung für den Alltag im 21. Jahrhundert näher vor.

Im Vergleich zu den USA investiert Deutschland über seine Mitgliedschaft bei der ESA sowie in nationalen und bilateralen Forschungsprojekten einen marginalen Teil seines BIPs in die Raumfahrt. Hierbei lag der deutsche Beitrag zur ESA mit rund 23% im Jahr 2018 bei 920,7 Mio. Euro.[1] Für den Bundeshaushalt ist die Gesamtinvestitionssumme nicht eindeutig nachvollziehbar, weil die Ausgaben in den unterschiedlichen Legislaturperioden durch BMVI, BMWI und BMBF finanziert werden und zudem Luft- und Raumfahrt zusammengefasst werden.[2] Das Budget wurde in 2019 auf rd. 1,6 Mrd. Euro erhöht,[3] die Forschungsförderung schlägt hierbei mit rd. 165 Mio. zu Buche.[4] Im Vergleich dazu hatte die US-amerikanische Raumfahrtagentur NASA ein Budget von 20,7 Mrd. USD.[5] Die Bundesregierung hat das Potential der Raumfahrt für den internationalen Wettbewerb erkannt und hat eine stärkere Förderung im Koalitionsvertrag festgeschrieben.[6] Die politische und wirtschaftliche Signalwirkung von Raumfahrtaktivitäten nutzen jüngst aber auch noch andere Länder, etwa Indien oder China, aber auch Afrika greift nach den Sternen.[7] Man könnte sogar schon vorsichtig von einem „Run aufs All“ sprechen. China arbeitet zum Leidwesen der USA beispielsweise seit einigen Jahren sehr stark an der Entwicklung einer eigenen Raumstation oder plant eine Basis auf der Rückseite des Mondes.[8]

Die Raumfahrt hatte schon immer eine magische Wirkung auf Teile der Bevölkerung, wie die höchst erfolgreiche Nachfrage nach Science-Fiction belegt. Dabei geht von den Geschichten selbst eine Art Innovationsmotivation aus, die die Menschen beflügelt und sie zu neuen Ideen antreibt. Man denke hier nur an den Tricorder aus Star Trek, der sich derzeit im Entwicklungsstadium befindet.[9] Im Lebensalltag hingegen ist der Nutzen der Raumfahrt meist erst auf den zweiten Blick erkennbar, abgesehen vom Satellitenfernsehen oder der -navigation. Für jemanden, der sich nicht damit beschäftigt, stellt sich also die Frage: Was bringen die Investitionen?

Zunächst einmal können wir sagen, dass die Raumfahrt in großem Maße aus Grundlagenforschung besteht. Dabei würde ich diese in primäre und sekundäre raumfahrtbezogene Grundlagenforschung unterteilen. Ersteres bezieht sich auf die Forschung, die für die Weiterentwicklung der Raumfahrt an sich betrieben wird. Hier wird z.B. an neuen Antriebsarten, neuen Leichtbaumaterialien für Raketen oder neuen Methoden zur Kommunikation zwischen Satelliten geforscht.[10] Der Innovationsschub, der durch frühe bemannte Raumfahrtprojekte entstand, lässt sich beispielsweise an der Entwicklung der Mikroelektronik nachvollziehen.[11] Die sekundäre raumfahrtbezogene Forschung bezieht sich auf jene Grundlagenforschung, die erst durch die Raumfahrt möglich wird. Hier reicht die Bandbreite von der Materialforschung über Humanmedizin bis hin zur Erprobung von Künstlicher Intelligenz.[12] Die Herausforderung für die Grundlagenforschung aus wirtschaftlicher Sicht besteht u.a. in den langen Forschungs- und Entwicklungszyklen, die ein Projekt durchlaufen muss, bis ein wirtschaftlicher Nutzen daraus entwickelt werden kann. Das Risiko des Scheiterns steigt dadurch an und die Finanzierungsmöglichkeiten sinken.

Anders verhält sich dies mit Technologieprojekten von New Space-Unternehmen. Dabei handelt es sich um Forschungsprojekte mit kurzen Entwicklungszyklen, die vergleichsweise rasch kommerzialisiert werden können. New Space-Akteure agieren disruptiv, mit einem stärkeren unternehmerischen Mindset, stellen also die Welt der Raumfahrt „auf den Kopf“. Häufig kommt dabei die Informationstechnologie zum Einsatz, unter dessen Anwendung meist erdbezogene Dienstleistungen erbracht werden können. Aber noch ein weiteres Kriterium zeichnet diese Unternehmen aus: Während in der „klassischen“ Raumfahrt meist speziell konzipierte Materialien zum Einsatz kommen, die in der Folge dann teuer und langwierig produziert werden müssen, nutzen New Space-Unternehmen Standartmaterialien, etwa aus dem Automobilbau. Die daraus resultierende Kostensenkung schlägt sich allerdings mitunter in der geringeren Lebensdauer nieder, wie es z.B. bei den schuhkartongroßen „Cubesats“ der Fall ist.[13] Die extrem leichten Satelliten werde nicht mehr, wie das größere Pendant in Kleinserie produziert, sondern sind massentauglich und kommen in niedrigeren Umlaufbahnen (LEO, in 200-2000 Km Höhe) zum Einsatz. Durch die geringere Nutzlast sinken die Kosten, was es auch nicht so finanzstarken Einrichtungen ermöglicht, Weltraumforschung zu betreiben.[14]

Wie erfolgreich New Space-Unternehmen sind, zeigen die Demonstrationen von Tesla-Gründer Elon Musk, der in der ersten Hälfte des Jahres eine eigens gebaute Rakete „Falcon Heavy“ in den Orbit schoss, seinen Tesla in den Weltraum steuerte und die Antriebe sicher und punktgenau auf vorgegebenen Plattformen im Meer landen ließ. Weitere Projektideen, die das Internet in entlegene Teile der Erde bringen sollen, werden beispielsweise von Google und Facebook vorangetrieben. Aber auch in Deutschland existieren bereits New Space Unternehmen, in den Bereichen Kommunikations- Raketen- und Satellitentechnik. Zudem bieten Unternehmen wie LiveEO, Mundialis oder KLEO Connect die Dienstleistungen in der Erdbeobachtung an. Möglich macht dies das Projekt „Copernicus“, das Satellitendaten kostenlos zur Verfügung stellt. Somit können wir in Zukunft weitere technische Fortschritte auf dem Gebiet des Umweltschutzes, der Energiegewinnung, der Infrastrukturüberwachung oder aber des Precision Farmings erwarten.

Diese Innovationen werden sich jedoch nicht zuletzt in der Wirtschaftsdynamik und somit auch auf unser Alltagsleben auswirken, etwa wenn Anwendungen aus der Erdbeobachtung zu einer real-time Business Intelligence führen. Welches Land hierbei wirtschaftlich den meisten Nutzen generieren kann, hängt nicht zuletzt von der innovationspolitischen Strategie, aber der der Leistungsfähigkeit des Entrepreneurial Ecosystems ab. Denn die Verfügbarkeit von Ressourcen für Starts-ups ist in Deutschland ein allgemeines Problem, das auch die New Space-Unternehmen betrifft. Hierbei gilt es insbesondere, die Inventionen und Forschungsergebnisse in tragfähige Geschäftsmodelle zu übersetzten. Die Innovationsfähigkeit von Raumfahrt hängt daher im Enddefekt auch von dem Vermögen ab, wie Aufnahmefähig ein Land oder eine Region hinsichtlich der erzielten Forschungsergebnisse ist.

[1] Vgl. http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2018/01/ESA_budget_2018 , abgerufen am 08.12.2018

[2] Im Haushalt enthalten sind daher auch Mittel für die Deutsche Flugsicherung DFS.

[3] Vgl. https://www.dieterjanecek.de/2018/10/31/raumfahrt-neue-moeglichkeiten-durch-new-space/, abgerufen am 08.12.2018

[4] Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Ministerium/haushalt-2019.html, abgerufen am 08.12.2018

[5] Vgl. http://www.planetary.org/blogs/casey-dreier/2018/20180322-fy18-omnibus.html, abgerufen am 08.12.2018

[6] Vgl. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, S. 58, abgerufen am 09.12.2018

[7] Vgl. https://de.reuters.com/article/indien-raumfahrt-idDEKBN1L00H3 und https://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Indische-Weltraumrakete-erfolgreich-getestet-id41654476.html, sowie https://www.deutschlandfunk.de/weltraum-strategie-afrika-greift-nach-den-sternen.799.de.html?dram:article_id=344113, abgerufen am 09.12.2018

[8] Vgl. https://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Tiangong_1_Chinesische_Raumstation_im_Sinkflug, und https://www.tagesschau.de/ausland/china-mond-103.html sowie https://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/raumfahrt-china-schiesst-ersten-frachter-ins-all/19697672-all.html, abgerufen am 09.12.2018

[9] Vgl. https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/medizintechnik/article/940767/mobile-diagnostik-star-trek-vorbild.html, abgerufen am 09.12.2018

[10] Beispielweise wird an Festbrennstoffen geforscht: https://www.heise.de/newsticker/meldung/ESA-testet-erfolgreich-Triebwerk-fuer-Raketen-Vega-C-und-Ariane-6-4111476.html. Auch an der Möglichkeit der Laserkommunikation zwischen Satelliten wird gearbeitet, vgl. https://www.heise.de/newsticker/meldung/Laser-Kommunikation-ins-Weltall-und-als-Glasfaserersatz-3965304.html. Bei Raketen wird z.B. mit der Vega-C die Hülle aus Kohlefaserverbundwerkstoffen getestet, vgl. https://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Die_Vega-C-Rakete_Dank_Kohlefaser_leichter_ins_All. Auch Robotik zur Wartung von Satelliten wird erprobt (On-Orbit-Servicing), vgl. https://spacenews.com/on-orbit-satellite-servicing-the-next-big-thing-in-space/.

[11] Vgl. https://www.computerworld.com/article/2525898/app-development/nasa-s-apollo-technology-has-changed-history.html sowie https://history.nasa.gov/computers/Part1.html und https://www.computer.org/csdl/proceedings/afips/1965/5066/00/50662033.pdf,  abgerufen am 09.12.2018

[12] Vgl. CIMON, https://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-11043/1877_read-26307/year-all/#/gallery/29911, abgerufen am 09.12.2018.

[13] Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/cubesat-satelliten-kleine-sonden-erobern-den-weltraum.676.de.html?dram:article_id=419370, abgerufen am 09.12.2018

[14] Vgl. https://www.spektrum.de/news/cubesats-wuerfel-im-weltraum/960338, abgerufen am 09.12.2018